„Am Abend höre ich wieder die Nachrichten der Deutschen Welle. Ich will mich informieren, schliesslich sind wir auf dem Weg nach Hause, und ich komme zurück in ein gewandeltes Deutschland: eine aufregende Perspektive. Aber was weiss ich schon von den Veränderungen, von den Problemen und Möglichkeiten meines in der Zusammenführung begriffenen Landes? Die Nachrichten warfen nur Schlaglichter auf die tempogeladenen Bemühungen zur Wiedervereinigung. Von den unmittelbaren Auswirkungen auf die Menschen habe ich kaum etwas gehört. Die Erzählungen deutscher Reisender, die ich befragte, waren emotional geprägt oder zurückhaltend wie vor etwas Unfasslichem. Zu sehr war das Anormale für uns zur akzeptierten Wirklichkeit geworden.
In Deutschland passiert jetzt Geschichte, und ich sehe von aussen zu. Die Radionachrichten vermitteln mir den Eindruck, dass es daheim nur noch ein einziges Thema gibt und keine anderen Aufgaben und Probleme mehr. Da stimmen mich Gespräche mit Menschen anderer Nationalität begreiflicherweise nachdenklich, denn aus ihnen sprach die Angst vor der Macht des wiedervereinigten Deutschlands und die Sorge, dass im Strudel der Ereignisse und neuen Verpflichtungen die Finanzhilfe für Drittländer leiden könnte. Mich beschäftigt auch, weshalb von den Gruppen, die den Wechsel eingeleitet und mit ganz persönlichem Risiko getragen haben, kaum noch etwas zu hören ist. Daheim scheint es nur darum zu gehen, für die ehemalige DDR Rahmenbedingungen zu schaffen, die zu den Strukturen des Westens passen. Aber werden sie drüben angenommen und engagiert ausgefüllt werden können?
Der Vorzug meines Seenomandenlebens ist es, dass ich nach sehr klaren physikalischen Gesetzmässigkeiten handeln kann, die Konsequenzen daraus unmittelbar spüre und den richtigen Zeitpunkt zum Handeln leichter erkenne. Bin nur gespannt, wie ich zurückfinden werde in ein von gesellschaftlichen Normen bestimmtes Leben - und was mir bleiben wird von der Freiheit der See.
Schon jetzt habe ich Schwierigkeiten mit den so endgültig und drängend, in schneller Rede vorgetragenen Nachrichten. Sie klingen, als könne es nur so und nicht anders sein. Enttäuscht schalte ich meinen Empfänger wieder aus.“・
So schreibt die erste deutsche Allein-Weltumseglerin Gudrun Calligaro/ Keefer, die am anderen Ende der Welt war, als die Mauer fiel, nach zwei Jahren auf See von 1988-1990, in ihrem Buch über ihre Weltumseglung: Ein Traum wird wahr.
Leider scheinen die zwei Jahre Freiheit auf See für eine nicht mehr ganz junge Seglerin nicht prägend genug gewesen zu sein, denn mitlerweile fällt ihr nichts besseres ein, als das Angebot an Kinder, zum Segeln auf der Ostsee, so zu begründen, die Kinder könnten damit lernen, dass es "neben Eltern und Schule auch noch andere Autoritäten gebe".
Als ob heutige Kids nicht schon von den Autoritäten Fernsehen, Internet, Poltik, Behörden und Polizei dominiert würden.