Über Korruption in Griechenland wird in Deutschland leidenschaftlich
gewettert, und grade gabs zum selben Problem in Indien eine Diskussion
der BBC. Indien gerät auch zunehmend in den Focus deutscher Wirtschafts-
und anderer Interessen, und gerade lese ich ein Büchlein mit dem Titel:
Mehr Indien, weniger China. Weil Indien eine Demokratie ist, China
nicht. Das Problem Korruption in Indien scheint für den Autor Urs
Schoettli hingegen kein Thema zu sein.
Eine Backschisch-Kultur wird von Betroffenen oft ja gar nicht als
kriminell, sondern als völlig normal angesehen. Wie aber kann es sein,
dass der ehemalige Nazi-Verbrecherstaat Deutschland scheinbar so sauber
glänzend dasteht? Vielleicht weil wir Korruption so definiert haben,
dass nur die anderern darunter fallen, wir hingegen als Ausbund von
Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Transparenz erscheinen. Wir haben
Korruption definiert als einen Konflikt zwischen Eigeninteressen und
staatlichen Interessen, zwischen Eigennutz und Gemeinnutz. Also wer sich
unter der Hand Vorteile sichert und dann Entscheidungen im Sinne des
Vorteilsgebers trifft, gilt als korrupt. Eigentlich steckt da schon die
richtige Definition von korrupt drin, sie wird jedoch meist
ausgeblendet. Wenn man Korruption versteht als jeden Verrat an den
professionellen Leitprinzipien der jeweiligen beruflichen Tätigkeiten
und Ämter, und als Privatmensch an den humanistischen Prinzipien, und
sei es auch zum vermeintlichen Wohle des Staates, dann ist auch
Deutschland ein durch und durch korrupter Staat - womit geschichtliche
Kontinuität gewahrt wäre. Nur bei uns fällt das nicht auf, weil die
deutsche Korruption dem Staat dient, die griechische hingegen diversen
Einzelinteressen. Aber ist deswegen die deutsche Korruption besser als
die griechische? Wer jetzt denkt, wie kann etwas korrupt sein, das dem
Staat dient, beweist damit, dass er die eigene Korruption als völlig
normal erlebt.
Etwa wenn etwa Ärzte stigmatisierte Personen oder
Verbrecher medizinisch absichtlich schlecht behandeln, damit die früher
sterben, dann handeln diese Ärzte zwar scheinbar zum staatlichen Wohle,
indem sie der Staatskasse Gefängniskosten und menschliche Problemfälle
ersparen, dennoch verraten sie damit die Prinzipien ihres Berufes. Damit
sind es korrupte Ärzte.
Oder wenn Hoteliers Gäste an Polizei und V-Leute verraten, handeln sie
nach gängiger Auffassung vielleicht als scheinbar gute Staatsbürger,
tatsächlich jedoch als schlechte Gastgeber, sind also eigentlich
korrupt. Diese Korruption ist uns nicht also solche bewust, weil wir bei
dem Thema fälchlich in Geld- oder Ego-Kategorien denken.
Überhaupt, wenn Dinge nicht so laufen können, wie sie eigentlich laufen
sollten, sondern wenn die Geheimdienste überall ihre Finger drin haben
und die Geschicke lenken, indem Journalisten, Künstler, Ärzte,
Polizisten, Juristen gebrieft und gelenkt werden, angeblich zum
Staatswohle, dann sind wir eine durch und durch korrupte Gesellschaft,
weil keiner mehr das tut, was er für seine Bezahlung im Sinne seiner
Profession eigentlich tun müsste. Nur wir merkens nicht mehr, weil wir
es nicht anders kennen. Im obigen Sinne war demnach Nazi-Deutschland
eine bis auf die Knochen korrupte Gesellschaft, weil zwar alle angeblich
zum staatlichen Wohle des Deutschen Volkes bzw Reiches handelten, aber
die gesamte Bevölkerung sämtliche Menschlichkeits-Prinzipien verraten
hat - beruflich und als Privatpersonen.
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