Herr Darnstädt, nach so langer Zeit und einem so niedrigen Verkaufspreis heute, könnten Sie nun doch eigentlich den Buchtext als PDF veröffentlichen. Da kommt per drag & drop von Auszügen vielleicht nochmal richtig Schwung in die Sache. Ich habe zahllose Textstellen gefunden, die ich hier gerne zitieren würde, was aus einem Papierbuch recht mühseelig ist.
Darnstädt trennt innerhalb seines fachlichen Tellers die Spreu vom Weizen, sammelt und tischt auf hanebüchene juristische Dinge, die mir in dieser geballten Form so noch nicht bekannt waren, und zeichnet damit das Bild einer im Prinzip total kontrollierten Weltbevölkerung mit jederzeit willkürlich wegnehmbaren Grundrechten. Aber trotz dem er sich augenscheinlich eine humanistisch zwingende Logik zu Gute hält, folgt er kaum einer Logik über seinen Tellerrand hinaus, hinein in die real existierende Wirklichkeit seiner juristischen Weltbeschreibung.
Das versuche ich im Folgenden zu leisten:
So trifft etwa die von ihm aus der Welt von Polizei, Geheimdiensten und einem Polizeistaat zugeneigten Juristen zitierte Definition eines "Gefährders" auch auf Geheimdienste und Polizei selbst zu: "Wer seine Ziele versucht mit Gewalt zu erreichen, ist ein Gefährder", genau das tun Polizei und Geheimdienste, müssen somit auch als Gefährder gelten. Ein voraussehbarer Einwand dagegen, der Staat sei schließlich Inhaber des sog. Gewaltmonopols kann von zwei Seiten gekontert werden: Erstens, wer das (sich selbst gegebene) Recht beansprucht, allein Gewalt anwenden zu dürfen, ist nicht dazu gezwungen das auch zu tun, man könnte auch Gewalt freie Alternativen anwenden. So gibt es etwa professionelle Polizei-Kritiker, die schon lange fordern, mehr polizeiliche Aufgaben von unbewaffneten Zivilkräften zu regeln. Zweitens, es gilt die Gewaltenteilung, aber wenn alle geteilten Gewalten letztlich doch in einer Hand, in der des Staates liegen, erscheint die Gewaltenteilung doch fragwürdig.
Womit wir bei einem weiteren Kritikpunkt sind. Darnstädt begnügt sich mit der Feststellung, dass das Verfassungsgericht das Grundgesetz schützt, welches wiederum die Bürger vor dem Staat schützt. Dass die Verfassungsrichter Teil der Staatsmacht sind und von der anderen Staatsgewalt ernannt werden, also die eine Staatsgewalt soll die Bürger vor der anderen Staatsgewalt schützen, was letztlich zirkelschlüssig ist, das lässt Darnstädt unreflektiert.
Ein roter Faden durch Darnstädts Buch ist etwa die im Zuge der Hinwendung zum Präventivstaat nahezu völlige Entrechtung jener Bürger, welche von Polizei bzw Geheimdiensten ohne Nachprüfbarkeits- und Interventionsmöglichkeit zu Verdächtigen bzw Gefährdern erklärt werden. Darnstädt simpelt rein juristisch und ausgiebig über die Frage hin und her, wer, wie, wann, warum, nach welchen Kriterien einen Bürger zum "Gefährder" definiert und ihn damit nahezu rechtlos stellt, weil der "Gefährder" heimlich und Grenzen los, also total überwacht werden darf und ihm alle wichtigen Möglichkeiten genommen werden dürfen (Geldverkehr, Kommunikation, Reisen, Kontakte usw). Das alles so zu hinterfragen erscheint gut und richtig, aber Darnstädt kommt nicht auf die Idee, dass man auf Grundlage ganz einfacher Mechanismen viele "Gefährder" präventiv erkennen kann: Ein erfolgreicher Mensch wird wohl keinen Grund haben, irgendwen oder -was zu gefährden, wird also wohl kaum ein "Gefährder" werden, hingegen von erfolglosen, unzufriedenen Angehörigen der Unterschicht und drangsalierter Minderheiten darf man Gegenwehr erwarten. Schlägt ein Starker einen Schwachen auf die eine Wange, würde der Schwache sicher gerne zurück schlagen, ist aber auf Grund der Überlegenheit seines Gegners daran gehindert. Man darf wohl vermuten, dass er im Stillen auf Rache sinnt und auf eine Gelegenheit wartet, zurück zu schlagen, oder seine Wut an Schwächeren auslassen. Weil der Staat gegenüber seinen Bürgern immmer der Stärkere ist, also die Bürger immer die Schwächeren sind, lässt jeder Unrechts-Akt des Staates gegen Bürger vermuten, dass die von Unrecht Betroffenen auf Vergeltung sinnen oder Taten gegen Schwächere begehen. Man stelle sich folgende Situation während der Sklaverei in Amerika oder sonstwo vor: